Im Parterre der Galerie Lietzow präsentiert Paula Schmidt schwebende Balanceakte zwischen Zeichnung und Malerei, Bildkompositionen, in denen vielfach Grenzüberschreitungen ihren Ausdruck finden. Der Pinsel führt zuweilen zeichnerische Linien aus, in Ölkreide entstehen dagegen malerische Farbflächen. Von pastellen Beige-, Blaugrau- und Weißtönen heben sich Schwarz und aktzentuiert eingesetzte Primärfarben wie Gelb, Blau in Kombination mit Rot.

In nahezu grafischen Hell-Dunkel-Wertigkeiten schafft sie lichte Struktur- und Architekturräume, durchsetzt von zeichenhaften Chiffren, archaischen oder archetypischen Symbolen. In offener Linienführung entworfene, schematisierte Menschenfiguren – vielfach bleibt dabei ein Stück Leinwand um die Figur herum unbearbeitet – legen vor dem Betrachter ihr Innenleben bloß. Mit wenigen Strichen skizziert Paulá Schmidt die Rippen des Brustkorbs in der Art von Fischgräten, den Bauchbereich als Mäander. Wie Camus’ “Fußgänger der Luft” schreiten Grenzgänger durch transparente Bildregionen jenseits von konkreten Zeiten und Räumen.

Das Kompositionsprinzip ihrer gegeneinander verschobenen Bildebenen basiert auf der Diagonalen, Leitern und Wege oder ein Hirsch im Sprung schaffen übergreifende Verbindungen. Im Nebeneinander von Negativ und Positiv, Schwarz und Weiß, Licht und Schatten entsteht zur Welt eine antipodische Gegenwelt, verkörpern figürliche Gegensatzpaare von Einhörnern männliches  und weibliches Prinzip, Vergangenheit und Gegenwart, Fantasie und Realität verschmelzen zu einem von Jägern und Tieren bevölkerten überzeitlichen Niemandsland.

Elfie Kreis
(Galerie Lietzow, Ausstellung Paula Schmidt)

Der Tagesspiegel / Feuilleton, Donnerstag, 6. August 1987